Die Schließung des Betriebs war richtig – jetzt folgt weitere Aufklärungsarbeit.
Im Rahmen des heutigen Umweltausschusses im Hessischen Landtag hat die Verbraucherschutzministerin Priska Hinz die Abgeordneten über den aktuellen Stand und die weitere Aufklärungsarbeit im Fall Wilke Wurst informiert. „Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Die Zustände, die bisher im Betrieb Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren aufgedeckt wurden, sind schockierend. Dass wir den Betrieb geschlossen haben, war richtig und wurde vom Verwaltungsgericht Kassel am Montag bestätigt“, erklärt Hinz.
Rückruf verläuft erfolgreich
Im ersten Schritt hatte ein schneller und erfolgreicher Rückruf der Wilke Produkte für die Verbraucherinnen und Verbraucher oberste Priorität. „Ich habe mich gestern im Rahmen einer Telefonkonferenz bei meinen Amtskolleginnen und -kollegen aus den anderen Bundesländern erkundigt, ob der Rückruf der Waren gut funktioniert. In ganz Deutschland scheint das Verfahren reibungslos zu verlaufen“, berichtet Hinz.
„Im Kontext der Rückrufaktion werden wir immer wieder nach der Veröffentlichung einer vollständigen Liste der betroffenen Handelswege und Einzelhandelsverkaufsstellen von Wilke-Waren gefragt. Entgegen anderslautender Berichterstattung liegt den Behörden eine solche Liste nicht vor. Ein Unternehmen ist gesetzlich dazu verpflichtet, seine direkten Lieferanten und direkten Kunden über mangelhafte Ware aufzuklären. Diese müssen dann wiederum ihre eigenen Kunden informieren usw. Wir können schlicht nicht nachvollziehen, in welchem Supermarkt und in welcher Kantine die Wilke-Wurst verkauft wurde. Ein Rückruf kann daher nur entlang der Lieferkette erfolgen, da nur die Unternehmen und weiteren Händler die Warenströme kennen. Die jeweils örtlich zuständigen Überwachungsbehörden können mit diesen Angaben noch vorhandene Waren sicherstellen und den Rückruf zu den Kunden in der jeweils nächsten Handelsebene beaufsichtigen“, erläutert die Ministerin.
Aufklärungsarbeit im Fokus
Nachdem der Rückruf erfolgreich in die Wege geleitet wurde, steht die Aufarbeitung der behördlichen Vorgänge im Fokus. Zum zeitlichen Ablauf kann unter anderem festgehalten werden: Im März 2019 wurde das Hessische Verbraucherschutzministerium über Krankheitsfälle durch Listerien des Typs Sigma1 informiert. Ein Zusammenhang zu einem bestimmten Lebensmittel als Infektionsquelle konnte zu diesem Zeitpunkt nicht hergestellt werden. Erst mit Nachricht vom 16. September durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Verbindung mit dem epidemiologischen Bericht des Robert-Koch-Instituts wurde klar, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den Listerioseausbrüchen nach Aufenthalten in Gesundheitseinrichtungen und der Firma Wilke gibt.
Sobald sich die Hinweise verdichteten, dass von Produkten der Firma Wilke möglicherweise eine Gefahr ausgeht, hat das Ministerium als Oberste Fachaufsicht mit dem Landkreis Waldeck-Frankenberg das weitere Verfahren und mögliche Maßnahmen besprochen, denn der Landkreis ist in diesem Fall die zuständige Überwachungs- und Kontrollbehörde. Es wurden im Anschluss engmaschige Kontrollen durchgeführt und die Reinigung und Desinfektion des gesamten Betriebs veranlasst. Alle dort produzierten Lebensmittel wurden auf Listerien untersucht. Als klar wurde, dass die Lage trotz erneuter Reinigungen und Desinfektionsmaßnahmen nicht in den Griff zu bekommen ist, hat das Hessische Verbraucherschutzministerium darauf gedrängt, dass der Landkreis den Betrieb schließt.
Bericht der Task-Force Lebensmittelsicherheit
Im Nachgang an die Schließung des Betriebs erhielt das Ministerium erstmals durch den ausführlichen Bericht der Task-Force Lebensmittelsicherheit Kenntnis über die erheblichen baulichen Mängel im Betrieb Wilke, die nach fachlicher Einschätzung bereits seit längerem bestanden haben müssen. Die Ergebnisse des Berichts wurden der Staatsanwaltschaft Kassel für ihre Ermittlungen zur Verfügung gestellt. „Auch wir wollen wissen, wer für diese Zustände verantwortlich ist und wie es sein kann, dass das so lange nichts aufgefallen ist“, sagt Hinz.
Zusätzlich sind im Nachgang Unstimmigkeiten bezüglicher einer eigentlich für den 5. September geplanten gemeinsamen Betriebskontrolle des Landkreises mit dem Regierungspräsidium Kassel und dem Landeslabor Hessen bekannt geworden. Nach derzeitiger Aktenlage wurde die Kontrolle an diesem Tag vom Landkreis vor dem verabredeten Zeitpunkt und vor dem Eintreffen der Vertreterinnen und Vertreter des Regierungspräsidiums Kassel und des Landeslabors Hessen durchgeführt. Stattdessen kam es lediglich noch zu einer gemeinsamen Besprechung an diesem Tag. Über die bei der Kontrolle vorgefundenen Mängel berichtete der Landkreis dem Regierungspräsidium in der Besprechung nach bisherigem Kenntnisstand unzureichend. „Die Aufklärungsarbeit steht jetzt im Fokus. Wir haben den Landkreis aufgefordert, bis 25. Oktober ausführlich über noch offene Fragen zu berichten“, so Hinz.
Die nächsten Schritte: Aufklärung vorantreiben und Konsequenzen ziehen!
- Aufforderung an den zuständigen Landkreis Waldeck-Frankenberg, bis zum 25. Oktober einen ausführlichen Bericht abzuliefern. Insbesondere die Durchführung und Ergebnisse der Kontrollen vor der Schließung des Betriebs sind hierbei von Interesse.
- Aufforderung an das Regierungspräsidium Kassel bis zum 18. Oktober einen Bericht über die vergangenen Kontrollen und durchgeführten Maßnahmen im Fall Wilke Wurst abzugeben.
- Bitte um weitere Aufklärung an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Welche Untersuchungen hat das Robert Koch Institut bei der Aufarbeitung der Listerienfälle durchgeführt? Sind alle Untersuchungen abgeschlossen?
- Beratung mit den Verbraucherministerinnen und -ministern der Länder im Laufe der nächsten Woche über eine verbesserte Datenauswertung bei der Rückholung von Waren und erweitertet Meldepflichten.
- Stärkung der Fachaufsicht des Landes: Hierfür liegt dem Landtag bereits ein Gesetzentwurf vor. Das Änderungsgesetz soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.
- Prüfung, inwiefern die Regierungspräsidien bei der Lebensmittelüberwachung gestärkt werden können. Dazu gehört z.B. eine Ausweitung der Berichtspflichten zu bestimmten Krankheitserregern von den Kreisen an die Regierungspräsidien.
- Prüfung wie die Lebensmittelüberwachung allgemein strukturell gestärkt werden kann.
Das Hessische Verbraucherschutzministerium wird die Öffentlichkeit weiterhin über neue Erkenntnisse, die noch ausstehenden Berichte der Behörden sowie daraus folgende Konsequenzen auf dem Laufenden halten.