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Alle Menschen mit Behinderungen dürfen in Niedersachsen wählen

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„Ein Grund zum Feiern in Niedersachsen“, so erklärt die Niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Petra Wontorra. Soeben hat der Landtag die Streichung der Wahlrechtsausschlüsse im niedersächsischen Wahlrecht beschlossen. Schon im Mai dieses Jahres dürfen alle Menschen mit Behinderungen an den Direktwahlen der Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten, also der Wahl zur Bürgermeisterin bzw. zum Bürgermeister sowie zu den Landrätinnen und Landräten, teilnehmen.

Geändert werden das Niedersächsische Landeswahlgesetz (NLWG), das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG), das Kammergesetz für die Heilberufe (HKG) sowie das Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege (PflegeKG). Im Einzelfall ist es dagegen immer noch möglich, einer Person das Wahlrecht richterlich zu entziehen.

Es dürfen endlich auch alle die Menschen mit Behinderungen ihre Stimme abgeben, denen zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten eine Betreuungsperson bestellt ist, sowie schuldunfähige Straftäterinnen und Straftäter mit psychischen Erkrankungen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind. Für fast 8.000 Menschen mit Behinderungen gilt nun das aktive und passive Wahlrecht in Niedersachsen.

Bis zum 5. Mai wird für die Direktwahlen eine Wahlbenachrichtigung zugestellt. Wer bis dahin keine Mitteilung erhält, kann bis zum 10. Mai 2019 bei der Gemeinde nachfragen und eine Berichtigung des Wählerverzeichnisses beantragen.

„Auch ich gelte als schwerbehindert und habe einen gesetzlichen Betreuer“, schrieb eine junge Frau mit psychischen Erkrankungen an das Büro der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen aus Niedersachsen, „es ist nicht in Ordnung, dass man dadurch das Recht auf Wahl und Meinungsäußerung verliert. Ich brauche Unterstützung, aber ich bin ja nicht völlig unzurechnungsfähig […]“.

„Dieser Durchbruch für Niedersachsen ist vielen Unterstützerinnen und Unterstützern zu verdanken“, freut sich Petra Wontorra, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen.

„Nicht nur ich setze mich seit Beginn meiner Amtszeit für die Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse ein. Danken möchte ich ausdrücklich auch dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, den kommunalen Behindertenbeauftragten und -beiräten, den unterstützenden Ministerinnen und Ministern, Politikerinnen und Politikern, den Behindertenverbänden, der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte und natürlich den Selbstvertretungen sowie den Expertinnen und Experten in eigener Sache.“

Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann bezeichnet das künftige Wahlrecht für Menschen in vollumfänglicher Betreuung als großen Schritt auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. „Menschen, denen zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten eine Begleitperson bestellt ist oder die sich in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, dürfen mit dem heutigen Beschluss auch an Wahlen teilnehmen. Die Abschaffung von Wahlrechtsausschlüssen war längst überfällig. Diese Diskriminierung gehört in Niedersachsen endlich der Vergangenheit an.“

Petra Wontorra ergänzt: „Ich gratuliere ausdrücklich allen „Erstwählerinnen und Erstwählern“ mit Behinderungen, die jetzt von der Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse profitieren, denn jeder hat das Recht, sich politisch einzubringen. Jetzt kann jede und jeder wählen und sich künftig für eine Wahl in Niedersachsen aufstellen lassen. Alle Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf Autonomie in der Politik, ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Gehen wir noch einen Schritt weiter, dann habe ich die Vision, dass Menschen mit Behinderungen in Leichter Sprache, Gebärdensprache oder durch andere geeignete Kommunikationsformen gut und umfassend über die Wahlen informiert werden. Assistentinnen und Assistenten muss es möglich sein, bei dem Wahlverfahren Menschen mit schweren Körper- und Mehrfachbehinderungen zu unterstützen, ohne dass ihnen Manipulation vorgeworfen wird. Inklusion heißt Rahmenbedingungen zu schaffen, so dass Selbstbestimmung, Empowerment und auch Wahlfreiheit gelebt werden.“

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