„Gewässer sind wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Geschützte Arten wie die Groppe, das Bachneunauge oder die grüne Flussjungfer sind dort zu Hause. Viele Bäche in Hessen wurden in der Vergangenheit ausgebaut, begradigt und in ein Betonbett gedrängt. An ihren Ufern können keine Bäume und Sträucher mehr wachsen, Insekten finden keine Nahrung und Fische können nicht mehr ungehindert schwimmen. Mit dem Programm „100 Wilde Bäche für Hessen“ werden wir diesen Gewässern wieder ein natürliches Bachbett geben, das Wasser frei laufen lassen und ein breites und unberührtes Ufer zurückgeben“, sagte Umweltministerin Priska Hinz heute in Wiesbaden. Dort stellte sie an einem renaturierten Abschnitt des Wellritzbachs das neue Landesprogramm vor.
„Durch die Wiederherstellung der Bäche als naturnaher Lebensraum können wir die biologische Vielfalt erhalten und ausbauen. Derzeit befinden sich 14,6 Prozent der hessischen Fließgewässer in einem sehr guten bis guten ökologischen Zustand. 2014 waren es nur 4,8 Prozent. Mit dem Programm 100 Wilde Bäche können wir diese Verbesserung konsequent fortsetzen“, ergänzte die Ministerin.
Das Besondere an dem Programm ist, dass das Land die Kommunen bei den Renaturierungen umfassend unterstützt: Zum Beispiel wird das Land das Flächenmanagement, die Projektsteuerung und -planung sowie die organisatorische Abwicklung der Maßnahmen vom Förderantrag bis zur Bauabnahme übernehmen. „Wir nehmen den Kommunen viel Arbeit ab und ermöglichen so vor allem kleinen Kommunen die erfolgreiche Teilnahme an dem Programm. Von den rund 500 Bächen in Hessen werden wir 100 in das Programm aufnehmen. Der Teilnahmewettbewerb für die Kommunen startet in diesem Sommer. Die Bekanntgabe der ausgewählten Bäche ist bis Ende 2019 geplant“, ergänzte Hinz.
„Über die bestehende Förderrichtlinie sichern wir außerdem eine hohe finanzielle Förderung zu: Das Land übernimmt bis zu 95 Prozent der Kosten. Bisher ist keine Renaturierung am Geld gescheitert, das wird auch so bleiben. Für die nächsten zwei Jahre ist bereits eine Anschubfinanzierung von zwei Millionen Euro vorgesehen“, sagte Hinz.
Hintergrundinformationen
Ziele des Programms:
- Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bis 2027
- Beitrag zur Hessischen Biodiversitätsstrategie (Ziel VI: Erreichung eines ökologisch günstigen Zustands der hessischen Gewässer, wesentliche Herstellung der Durchgängigkeit der Fließgewässer für wandernde Fischarten und Verbesserung des Zustands der an Wasser gebundenen Biologischen Vielfalt)
- Beitrag zum landesweiten Biotopverbund
- Beitrag zum ökologischen Hochwasserschutz
- Schaffung von Frischluftschneisen à gut für innerstädtisches Klima, wichtig in Zeiten des Klimawandels
Auswahlverfahren für 100 Wilde Bäche
1. Schritt: Übersicht der potentiellen Programmteilnehmer erstellen, Auswahlkriterien:
- Alle Kommunen und Wasserverbände mit Bächen, die eine Einzugsgebietsgröße zwischen 10 km² und 100 km² aufweisen
- Zum Beispiel auch Bäche mit besonderer Bedeutung für gefährdete Tier- und Pflanzenarten und Stellung im Biotopverbund
2. Schritt: Teilnahmewettbewerb
- Bewerbung über Projekthomepage
- Start: Sommer 2019
- Bekanntgabe der ausgewählten 100 Bäche bis Ende 2019
3. Schritt (noch offen): Ausschreibung und Vergabe der Projektsteuerung an einen geeigneten Dritten. Ausschreibung und Vergabe werden momentan vorbereitet.
Typische Phasen einer Renaturierung:
- Planung und Genehmigungsverfahren
- Flächenbereitstellung, z.B. durch Flächenkauf und Flächentausch oder im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren
- Bauphase nach vorangegangener Ausschreibung und Vergabe. Auf Grund naturschutzrechtlicher Belange (z.B. Berücksichtigung von Laich- und Brutzeiten) wird das Baufenster einer Gewässerrenaturierung auf wenige Monate im Jahr beschränkt.
- Einstellung des Zielzustandes der Renaturierung: Diese Phase kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen, da es ein gewisse Zeit dauert, bis z.B. Uferanpflanzungen ihre Wirkung in Form von Beschattung entfalten und die Wurzeln bis in das Gewässer reichen.
Wellritzbach
Quelle: nordwestlich des Schläferskopf, Mündung: Salzbachkanal in der Friedrichstraße, 8 km Fließlänge
Erste Renaturierung 2005, Umsetzung durch die Hochschule RheinMain und die Stadt Wiesbaden
Zweite Renaturierung 2019, fehlender Abschnitt bis zum Kurt-Schumacher-Ring, 630.00 Euro Fördermittel vom Land Hessen im Rahmen des Landesprogramm „Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz“ = Kostendeckung von 85 Prozent