Für Ministerin Susanna Karawanskij verdienen Kinder „unsere ganze Aufmerksamkeit. Sie sind im wahrsten Wortsinn unsere Zukunft.“ Deshalb müsse alles darangesetzt werden, Kinderarmut mit all ihren Facetten zu einem Relikt der Vergangenheit zu machen. „Jedes Kind hat das Recht auf Chancengleichheit in allen Lebensbereichen, auf gesundes Aufwachsen, gute Bildung von Anfang an, ohne Angst, dass das Einkommen der Eltern den Lebensweg vorbestimmt“, so die Ministerin heute bei ihrem Besuch im Eltern-Kind-Zentrum in Frankfurt (Oder). Sie nahm diesen Besuch zum Anlass, die Handlungsempfehlungen der im November 2015 vom MASGF ins Leben gerufenen Initiative „Starke Familien – starke Kinder, Runder Tisch gegen Kinderarmut“ vorzustellen. Zu den Teilnehmenden an dem Gespräch zählte u. a. Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke.
Der Anteil armutsgefährdeter Kinder ist im Land Brandenburg zurückgegangen, dennoch lebt jedes fünfte Kind mit einem materiellen Armutsrisiko. Das zeige die großen Herausforderungen bei der Prävention und Bekämpfung von Kinderarmut für Politik, Verwaltung und die Zivilgesellschaft im Land, fasste Ministerin Karawanskij das Resümee der Akteure/innen des Runden Tisches zusammen. Es bestehe weiterhin Handlungsbedarf, wobei an vielen verschiedenen Stellschrauben gedreht werden müsse. „Denn es geht nicht nur ums Geld: Benachteiligte Kinder haben besonders häufig gesundheitliche Nachteile, leiden unter mangelnder sozialer Teilhabe, haben häufig einen schlechteren Zugang zu Bildung und infolgedessen ist der Übergang in das Erwerbsleben oft schwierig“, sagte die Ministerin.
Andreas Kaczynski, Sprecher der Landesarmutskonferenz Brandenburg sieht ähnliche Aufgaben: „Die Landesarmutskonferenz Brandenburg macht seit ihrer Gründung besonders auf die prekäre Situation vieler Kinder und Familien aufmerksam. Auch wenn die Armutsgefährdungsquote leicht zurückgeht, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch viel zu viele Kinder und Jugendliche täglich Erfahrung mit Armut und Benachteiligung machen, weil sie mit Gleichaltrigen weder bei Urlaubs- und Freizeitgestaltung noch bei Kleidung oder Wohnraum mithalten können. Kinder aus armen Verhältnissen haben nach wie vor deutlich schlechtere Startchancen in Kita und Schule, weshalb wir weiter in Betreuungsqualität und unterstützende Hilfen in Schule und neben der Schule investieren müssen! Aber auch die Eltern brauchen wirkungsvolle und niedrigschwellige Unterstützung. Die Initiative „Starke Familien – starke Kinder“ hat dazu zahlreiche Vorschläge gemacht. Als Mitglied erwarten wir jetzt, dass es nicht bei guten Ratschlägen bleibt, sondern Landesregierung und Kommunen den Willen aufbringen, Angebote aufzubauen, die bei den Betroffenen wirklich ankommen!“
Barbara Eschen, Beauftragte für Diakonie der EKBO, Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V.: „Jedes Kind ist gleich viel wert! Egal in welche Familiensituation Kinder geboren werden, sie müssen gute Chancen für ihre Entwicklung haben. Das ist aber bei Kindern aus Familien mit geringem Einkommen oft nicht der Fall. Wenig Geld heißt oftmals beengte Wohnverhältnisse, wenig Geld für Förderung und von Anfang an das Gefühl: „Das kann ich nicht schaffen.“ Hier muss ein starkes Gemeinwesen für Kinder da sein.
„Starke Familien – starke Kinder!“ das muss über alle Parteigrenzen hinweg zentraler Auftrag sein in Brandenburg. Brandenburg braucht seine Familien und Kinder. Deshalb brauchen wir gute Kitas, in denen auch Eltern ihre Themen besprechen können, wir brauchen eine gute Begleitung rund um die Geburt, damit Eltern sich sicher fühlen können und – an die Bunderegierung gerichtet: wir brauchen eine Kindergrundsicherung. Als Diakonie wirken wir an vielen Stellen mit, um Kindern gute Chancen zu eröffnen. Unsere Erfahrungen bringen wir auch weiterhin in den runden Tisch „Starke Familien-Starke Kinder“ der Landesregierung bei diesem Zukunftsthema ein.“
Auch Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, sieht ressortübergreifende Zusammenarbeit für notwendig an: „Kinderarmut wirkt sich in vielen Bereichen des Alltags aus. Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt, dass im Land Brandenburg eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut verfolgt wird. Hierfür gibt es nur in wenigen anderen Bundesländern vergleichbare Ansätze. Es kommt jetzt darauf an, dass die Vorhaben auch eine Umsetzung erfahren, dabei Kommunen, Land und Zivilgesellschaft ressortübergreifend an einem Strang ziehen.“
Bei den Handlungsempfehlungen des Runden Tisches handelt es sich um Ideen und Anregungen der beteiligten Akteure/innen, die mit Hilfe externer wissenschaftlicher Begleitung aus den Ergebnissen der Veranstaltungen und Projekte zusammengetragen, ausgewertet und unter Beachtung verschiedener Kriterien wie grundsätzlicher Realisierbarkeit und Wirksamkeit zusammengefasst wurden.
Sie richten sich an Bund, Land und Kommunen. Empfohlen wird beispielsweise die Einführung einer Kindergrundsicherung. „Das sollte das oberste Ziel sein, um materieller Armut von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu begegnen“ heißt es in den Handlungsempfehlungen, mit denen sich heute auch das Brandenburger Kabinett befasst. Als erforderlich wird angesehen, die derzeit bestehenden Einzelleistungen (insbesondere Kindergeld, Kinderzuschlag und Grundsicherung) in eine einheitliche Leistung zu überführen.
Daran arbeitet das Land Brandenburg u. a. in einer länderoffenen Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz mit.
Rund 20 Prozent aller Kinder im Land Brandenburg unter 18 Jahren leben in Alleinerziehenden-Haushalten. Im Vergleich zu anderen Familienformen sind diese Haushalte in höherem Maß von Armut betroffen. Die Armutsgefährdungsquote beträgt 45 %.
Deshalb empfiehlt der Runde Tisch u. a. eine Bezuschussung der Lohnkosten an Arbeitgeber, um einen Anreiz für eine verstärkte Beschäftigung von Alleinerziehenden zu bieten und eine Förderung „Lohnkostenzuschuss für Alleinerziehende in Brandenburger Unternehmen“ aufzulegen, die einen Lohnkostenzuschuss zur Förderung eines zusätzlichen Arbeitsverhältnisses von bis zu 75 % des Arbeitnehmerbruttoentgeltes in einem Zeitraum von minimal 6 und maximal 12 Monaten vorsieht.
Eine weitere Empfehlung zielt darauf, „Familienzentren“ einzurichten. Bei diesen „Familienzentren“ handelt es sich um Einrichtungen, die möglichst im sozialen Umfeld der Familien passgenaue unterstützende und bildungsförderliche Angebote für Kinder und ihre Familien bereithalten, vermitteln oder bündeln. Sie unterstützen Familien dabei, Lebenschancen und Teilhabemöglichkeiten zu verbessern. Angeboten werden sollen hier auch niedrigschwellige Beratungen, damit bereits bestehende soziale Leistungen besser in Anspruch genommen werden. Familienzentren können somit ein wesentlicher Baustein für eine positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sein.
Wer durch Armut oder andere schwierige Lebensumstände benachteiligt ist, hat in Deutschland ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko und eine um bis zu zehn Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen aus besser gestellten Bevölkerungsschichten. Kinderarmut macht krank. Durch die Gesundheitsberichterstattung des Landes werden die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und sozialer Lage und Geschlecht systematisch und kontinuierlich dargestellt. So geht es in den Handlungsempfehlungen auch um die Wahrung gesundheitlicher Chancengleichheit unabhängig vom sozialen Status. Es sollte geprüft werden, welche Voraussetzungen nötig sind, um eine im Lebensverlauf der Kinder und Jugendlichen möglichst lückenlose Unterstützung zu gestalten und Aktivitäten auf Landes- und kommunaler Ebene mit den Aktivitäten der Gesetzlichen Krankenversicherung konkret zu verknüpfen. So könnten „Präventionsketten“ entstehen, die bereits bestehende Maßnahmen berücksichtigen und neue Angebote implementieren.
Dafür benötigen die Kommunen fachlich qualifiziertes Personal für die Koordinierung, Steuerung, Umsetzung sowie Qualitätsentwicklung von Strategien und Maßnahmen.
Hier setzt bereits u.a. das „Netzwerk Gesunde Kinder“ an, das Familien in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes Unterstützung anbietet. Dafür stellt das Land jährlich 3,1 Mio. Euro zur Verfügung.
Die Bekämpfung von Armut, im speziellen von Kinderarmut, hat im Land Brandenburg hohe Priorität. Mit der aus ESF-Mittel finanzierten Förderung der Integrationsbegleitung für Langzeitarbeitslose und Familienbedarfsgemeinschaften hat Brandenburg ein erfolgreiches Instrument geschaffen, das insbesondere auch Eltern von minderjährigen Kindern aus SGB II-Bedarfsgemeinschaften – darunter viele Alleinerziehende- auf eine Beschäftigung vorbereitet und bei der Beschäftigungsaufnahme unterstützt. Für Akteure vor Ort, die Projekte zur Vermeidung und Reduzierung von Armut, speziell von Kinderarmut anbieten, stehen jährlich Haushaltsmittel für Projektförderungen zur Verfügung. Für die Jahre 2019 und 2020 sind es jeweils 600.000 €. Seit 2015 konnten bereits über 30 Projekte ermöglicht werden die helfen, Ausgrenzung im Alltag abzubauen und die Betroffenen zu stärken.
Hintergrund
Unter landesweiter Beteiligung von Mitarbeitenden aus sozialen Einrichtungen, Fachexperten/innen, Vertretern/innen aus Politik und Verwaltung sowie Kindern und Jugendlichen wurde seit Ende 2015 das Thema Vermeidung und Bekämpfung von Kinderarmut bearbeitet. Koordinierend haben als Teilnehmende einer Steuerungsgruppe folgende Institutionen besonders mitgewirkt: LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, Landesarmutskonferenz, Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände, Katholische Kirche, Evangelische Kirche, Deutschen Kinderhilfswerks, Stiftung Hilfe für Familien in Not sowie die Kommunen Kyritz, Beelitz, Senftenberg, das MBJS und das MASGF. Der Runde Tisch hat sich in vielen Fach- und Regionalveranstaltungen und Sitzungen mit den unterschiedlichen Lebenslagen von Kindern auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stand 2016 materielle Armut; 2017 soziale Lage und Bildung und 2018 Armut und Gesundheit. Begleitet wurde die Arbeit des Runden Tisches durch externe Studien und Publikationen.
In der Reihe „sozialspezial“ wurden veröffentlicht:
- „Daten und Fakten zur Überschuldung privater Haushalte im Land Brandenburg“,
- „Daten und Fakten zur sozialen Lage von Kindern im Land Brandenburg“,
- Darüber hinaus gibt der Kindergesundheitsbericht Auskunft zu Gesundheit und Gesundheitschancen für Kinder im Land Brandenburg,
Infos auch unter: www.starke-familien-starke-kinder.de