… die Debatte gibt mir die Möglichkeit, generell zu erklären, wie Krankenhausfinanzierung funktioniert. Wir haben eine geteilte Verantwortung. Die Krankenkassen finanzieren die stationären Leistungen und schließen mit den Krankenhäusern Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen. Das Land hat für die notwendigen Investitionen zu sorgen, die die Krankenhäuser brauchen, um diese Leistungen qualitätsgerecht erfüllen zu können.
Wir haben eine Krankenhauslandschaft, die uns auch im ländlichen Raum eine Grundversorgung sichert. Soweit Studien wie die von Bertelsmann den Abschied von Kleinstkrankenhäusern fordern, kann ich sagen: das ist kein vordringliches Problem mehr in Sachsen-Anhalt, sondern eher in Nordrhein-Westfalen. Unsere Strukturen passen. 72 Krankenhäuser gab es zur Wende in Sachsen-Anhalt; heute sind es 48. Wir haben erhebliche Überkapazitäten abgebaut und die Qualität der Leistungen verbessert. Es gab einen Prozess von Fusionen, Schließungen und Neugründungen.
Sachsen-Anhalt hat fast 3,9 Milliarden Euro über die Jahre investiert. Etwas mehr als eine Milliarde entfällt auf die pauschalen Fördermittel, die benötigt werden, um Apparate, Geräte und Einrichtungsgegenstände wieder zu beschaffen. Wir haben praktisch die gesamte Infrastruktur erneuert. Trotzdem haben wir einen immensen Investitionsstau, weil nach 20 Jahren auch viele Ersatzinvestitionen anstehen.
Wo stehen wir also? Und wie wollen wir uns aufstellen?
Erstens: Wir setzen auf qualitätsbasierte Krankenhausplanung, auf zukunftsfähige Strukturen durch Schwerpunktbildung. Wo niedergelassene Ärzte fehlen, sollen die Krankenhausstrukturen stärker für die ambulante Versorgung genutzt werden, die sogenannte sektorenübergreifende Versorgung.
Zweitens: Wir haben im Frühjahr ein modernes Krankenhausgesetz verabschiedet, das Qualität groß schreibt, und wir sind dabei, auf dieser Grundlage bis zum Jahresende den Krankenhausplan neu aufzustellen. Bis vorgestern konnten Anträge eingereicht werden. Über den Krankenhausplan wird der konkrete Bedarf an stationären Krankenhausleistungen im Land ermittelt. Das bildet die Grundlage für die Förderung nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und des Landes-Krankenhausgesetzes.
Drittens: Wir müssen uns dem Thema Fachkräftegewinnung widmen! Es fehlen Mediziner, aber es fehlt insbesondere auch Pflegepersonal. Nicht umsonst werden mancherorts fünfstellige Abwerbeprämien gezahlt. Hier brauchen wir ein Maßnahmebündel, und wir haben schon viel auf den Weg gebracht, von der Landarztquote bis zur „Perspektive Pflege“, um den Um- und Ausbau der Pflegeausbildung zu begleiten. Das ist ein extrem wichtiges Thema, aber heute nicht das vordringliche.
Worum geht es uns also bei der Krankenhausplanung?
Ich betone hier noch einmal: ich trete für den Erhalt der Krankenhäuser der Grundversorgung im Land ein, mit Innerer Abteilung und allgemeiner Chirurgie und möglichst auch Geburtsabteilung und Frauenheilkunde. Krankenhäuser, die im Notfall schnell erreichbar sind.
Es geht aber auch ganz deutlich um Qualität. Qualität kann nur dort geboten werden, wo es genügend Fachkräfte gibt und wo eine angemessene Mindestzahl an Fällen erreicht wird. Es macht eben einen Unterschied, ob die Abteilungen gut besetzt sind und ob ein komplizierter Eingriff 2 oder 200mal im Jahr vorgenommen wird. Deshalb wird es bei der Krankenhausplanung darum gehen, neben der Grundversorgung auch Schwerpunkte und Zentren zu definieren, die für die spezialisierte Versorgung zur Verfügung stehen.
Daneben steht die Diskussion über die Frage, wie eine auskömmliche Finanzierung erreicht werden kann. Wir haben die Pauschalförderung in Höhe von ca. 50 Millionen Euro wieder aufgenommen, nachdem es jahrelang keine eigenen Mittel aus dem Landeshaushalt gegeben hatte. Aber das reicht ganz offensichtlich nicht aus, den Investitionsstau aufzulösen. Darum sage ich: wir brauchen ein Investitionsprogramm, wie es das mit gutem Erfolg in Sachsen-Anhalt in den 90er Jahren gegeben hat, unter Sozialminister Wolfgang Böhmer. Die letzten Raten des Schuldendienstes haben wir 2018 bezahlt.
Die Kliniken, einschließlich der Unikliniken, die nicht über die Rücklagen verfügen wie private Anbieter, müssen sich darauf verlassen können, die notwendigen Investitionen tätigen zu können. Wir sind mit der Investitionsbank und dem Finanzministerium im Gespräch, ob so etwas erneut aufgelegt werden könnte. Ich gehe davon aus, dass wir zusammen eine Lösung finden.
Denn warum kommt es plötzlich zu einem Crash wie beim Klinikum des Burgenlandkreises, wo ein Insolvenzfahren in Eigenverantwortung eröffnet worden ist?
Die letzten Gesetzesvorhaben des Bundes hatten richtigerweise die Qualitätssicherung der Krankenhausleistungen und die Gewährleistung einer angemessenen Pflege zum Ziel. Stichworte sind hier die Pflegeuntergrenzen, also Vorgaben zum Mindestpersonal, flächendeckende Leistungsdokumentation sowie Strukturvorgaben und die Einrichtung von Pflegebudgets.
Unter sonst gleichen Bedingungen schränkt beides die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Krankenhäuser ein. Wenn es den Krankenhäusern erschwert wird, Rücklagen zu bilden, reduziert das zwangsläufig auch deren Kreditfähigkeit. Das wiederum schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein, wenn es darum geht, Investitionen aus Eigenmitteln zu finanzieren. Besonders betroffen sind dabei kleinere Einrichtungen. Verschärft wird das, wenn sich Banken zurückziehen. Im Burgenlandkreis ist es genau das, was am Ende in die Insolvenz geführt hat: die Bank für Sozialwirtschaft ist ausgestiegen.
Die Geburtshilfe, das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen, ist nicht der Grund dafür. Die ist in Zeitz wirtschaftlich solide aufgestellt! Laut Geburtenbuch sind 440 Kinder 2018 in Zeitz geboren worden, 499 in Naumburg. Die Schließung der Zeitzer Babystation war vom Saniererteam empfohlen worden, um durch Zusammenlegung deutlich mehr als eine Million Euro zu sparen, nicht weil die Abteilung unhaltbar unwirtschaftlich wäre. Die notwendigen Einsparungen müssen sich anders generieren lassen!
Ganz ausdrücklich möchte ich mich beim Landrat und beim Kreistag des Burgenlandkreises bedanken, die beide Geburtsstationen in Zeitz und Naumburg erhalten wollen und bereit sind, dafür auch finanziell in die Bresche zu springen. Vorausgesetzt, das Insolvenzverfahren wird erfolgreich abgeschlossen und die Klinik bleibt in kommunaler Hand.
Auch das Land steht bereit. Nach positivem Abschluss des Insolvenzverfahrens werden wir prüfen, ob Mittel aus dem Strukturfonds des Bundes bei der Neustrukturierung, die es geben muss, unterstützen können. Im laufenden Insolvenzverfahren geht das nicht.
Ich setze auf die Zukunft der kommunalen Kliniken! Wir brauchen Trägervielfalt, das Nebeneinander von privaten, frei gemeinnützigen und kommunalen Krankenhäusern. Wir brauchen kommunale Krankenhäuser, die ihre Rolle in der Daseinsvorsorge ernst nehmen und die z.B. eine Geburtshilfe vorhalten, wenn es sonst kein Angebot in der Region gäbe. Das sage ich ausdrücklich mit einem Blick nach Zeitz.
Und weil die aktuellen Finanzierungsschwierigkeiten ganz offenbar insbesondere kleine und kommunale Häuser treffen, werde ich zu einem Fachgespräch ins Ministerium einladen, um mich mit den Kliniken über die Schlussfolgerungen aus der Situation auszutauschen.
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die Tatsache, dass die Krankenhausinvestitionen bei fast allen Ländern deutlich hinter dem zurückbleiben, was für die Substanzerhaltung notwendig wäre, ist Indiz dafür, dass es sich hier um ein systembedingtes Phänomen handelt. Mit der vorhandenen Einnahmestruktur der Länder ist es offenbar kaum möglich, die notwendigen Investitionen für die Krankenhäuser zu finanzieren. Eine Lösung des Problems scheint darin zu liegen, den Bund und die Krankenkassen stärker in die Investitionsfinanzierung einzubinden.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern versuchen für die vielfältig beschriebenen Problemlagen Lösungen zu entwickeln. Alleine kann das Sachsen-Anhalt so wenig, wie es die anderen Bundesländer können.
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Der Bund legt gesetzlich fest, wie die Krankenhausfinanzierung in Deutschland funktioniert. Er gibt vor, wie die Mittelverteilung etwa zur Förderung der Aufrechterhaltung einer breiten stationären Grundversorgung erfolgt.
Ich werde gemeinsam mit Länderkollegen einfordern, dass die sog. Sicherstellungszuschläge, die zur Absicherung einer stationären Grundversorgung in der Fläche beitragen, erhöht werden.
Auch der Krankenhausstrukturfonds des Bundes, der bislang Strukturmaßnahmen zur Erhöhung der Qualität fördert, muss künftig dafür eingesetzt werden können, die stationäre Grundversorgung im ländlichen Raum und damit auch die Bildung von lokalen Gesundheitszentren zu fördern.
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Es geht nicht vordergründig darum, mehr Geld vom Bund zu fordern. Es geht darum, das vorhandene Geld optimal einsetzen zu können. Und es geht darum, hier im Land die Weichen gut zu stellen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.