Start Wirtschaft Tiefensee schlägt Einrichtung eines „Wirtschaftskabinetts“ vor (TH)

Tiefensee schlägt Einrichtung eines „Wirtschaftskabinetts“ vor (TH)

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Vorzeichen einer wirtschaftlichen Abkühlung verdichten sich / Wirtschaftsminister unterstützt IHK-Forderungen zur Landtagswahl.

Mit Blick auf die beginnende Konjunkturabschwächung in Deutschland hat Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee die Einrichtung eines „Wirtschaftskabinetts“ im Land vorgeschlagen. „Die Vorzeichen für eine wirtschaftliche Schwächephase in Deutschland verdichten sich, die Konjunkturrisiken nehmen zu. Thüringen wird sich dieser Entwicklung nicht entziehen können“, sagte Tiefensee heute beim Kammergespräch mit Industrie- und Handelskammern (IHK), Handwerkskammern (HWK) und dem Verband der Wirtschaft (VWT) in Erfurt. Ein Wirtschaftskabinett solle – ähnlich wie das Klimakabinett auf Bundesebene – unter Einbeziehung aller für die Wirtschaft wichtigen Ministerien regelmäßig die aktuelle Lage analysieren und zügig alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Das sei eine vordringliche Aufgabe der nächsten Landesregierung, sagte der Minister.

Aktuell rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftforschung (DIW) nach dem Rückgang der deutschen Wirt­schaftsleistung im zweiten Quartal nun auch für das laufende dritte Quartal 2019 mit einem Konjunkturrückgang. Auch der ifo-Geschäftsklimaindex als konjunktureller Frühindikator fällt bereits seit Mitte letzten Jahres; die hier regelmäßig befragten 7.000 Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage wie auch ihre Geschäftserwartungen zunehmend pessimistischer. „Das heißt, wir müssen uns auf den Ernstfall einstellen, ohne ihn herbeizureden“, sagte Tiefensee. Dazu sei es notwendig, auch auf Landesebene Vorsorge zu treffen, um im Krisenfall schnell reagieren zu können. Ein Wirtschaftskabinett würde die entsprechenden Aktivitäten bündeln und direkt auf der Ebene des Regierungshandelns verankern. „Da gehört es nach meiner Meinung auch hin“, so der Minister.

In diesem Zusammenhang bezeichnete Tiefensee den Forderungskatalog der Thüringer Industrie- und Handelskammern zur Landtagswahl als „guten Leitfaden für die Wirtschaftspolitik der kommenden Jahre“. „Was in dem Papier steht, kann ich zum Großteil sofort unterschreiben“, sagte der Politiker. Viele Vorschläge würden bereits umgesetzt. Dazu zählten u.a. Maßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften, zur Gründerförderung, zur Stärkung der Außenwirtschaft, zur Vereinfachung von Förderprogrammen.

So sei etwa das Förderprogramm Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – mit einem Umfang von rund 150 Millionen Euro pro Jahr das wichtigste Programm der Investitionsförderung im Land – gestrafft und vereinfacht, neue Förderinstrumente zur Unterstützung von Gründungen („Gründerprämie“), der Digitalisierung („Digitalbonus“) oder zur Gewinnung von Auszubildenden im Ausland eingeführt und die gesamte Wirtschaftsförderung, nicht zuletzt im Bereich des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), stärker auf Forschung und Innovation zugeschnitten worden.

Darüber hinaus gehende Vorschläge der Kammern – etwa im Bereich der Rohstoffsicherung und der Bezahlbarkeit von Energie, aber beispielsweise auch zur Integration von Migranten und Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt – sollten in der kommenden Legislaturperiode geprüft und zügig umgesetzt werden, sagte der Wirtschaftsminister. Einige wenige Forderungen der Kammern lehne er allerdings klar ab. So werde es mit ihm „keine Rolle rückwärts“ etwa beim Bildungsfreistellungsgesetz oder beim vergabespezifischen Mindestlohn geben. „Hier haben wir in dieser Legislaturperiode ausgewogene Kompromisse gefunden, an denen ich im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen festhalten möchte.“ Der Wirtschaftsminister machte zugleich deutlich, dass einige der IHK-Vorschläge über die Regelungskompetenzen eines einzelnen Bundeslands hinausgingen. „Entbürokratisierung und die Vereinfachung von Förderregularien können oftmals nur auf Bundes- oder EU-Ebene umgesetzt werden.“ Das Land könne hier entsprechende Gesetzesinitiativen starten, aber nicht im Alleingang für eine Vereinfachung oder Abschaffung sorgen.

Schließlich zog Tiefensee eine positive Bilanz der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung im Freistaat. So sei die Wirtschaft zwischen 2005 und 2018 um knapp 48 Prozent und die Zahl der Beschäftigten um 15,5 Prozent (auf 806.000) gewachsen, die Arbeitslosenquote sank im selben Zeitraum von 17 auf 5,5 Prozent (Jahresdurchschnitt). Mit einem hohen Industrieanteil von knapp 25 Prozent und 83 Industriearbeitspätzen je 1.000 Einwohner verfüge Thüringen heute wieder über ein starkes verarbeitendes Gewerbe. „Thüringen ist für die Herausforderungen der Zukunft und nicht zuletzt eine Konjunkturabschwächung gerüstet“, so der Minister. Dabei sei er für den Arbeitsmarkt trotz Krisenzeichen weiter optimistisch: „Anders als bei der Wirtschaftskrise 2009 werden in vielen Bereichen weiterhin Arbeitskräfte nachgefragt, so dass auch künftig mit einem hohen Beschäftigungsstand zu rechnen ist.“

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