Start Politik Verfassungsschutz – Innenminister stellt Bericht 2018 vor

Verfassungsschutz – Innenminister stellt Bericht 2018 vor

222

Sachsen-Anhalts Minister für Inneres und Sport, Holger Stahlknecht, hat heute in Magdeburg den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 vorgestellt. Dieser beinhaltet folgende Kernaussagen:

  • der Verfassungsschutz schaut mit Sorge auf die zunehmende Vermischung und Vernetzung von Extremisten und Nichtextremisten
  • der Verfassungsschutz hat erfolgreich zur Feststellung und Aufklärung von nach Deutschland eingereisten Jihadisten beigetragen
  • Sachsen-Anhalt bleibt ein sicheres Land

Innenminister Stahlknecht: „Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung wird von Verfassungsfeinden aus unterschiedlichen Richtungen attackiert. So bestand das Teilnehmerfeld von Demonstrationen in Köthen nicht aus einer homogenen Gruppe, sondern setzte sich aus Rechtsextremisten aus dem Parteienspektrum und der Neonaziszene, Hooligans und Fußballfans unterschiedlicher Vereine sowie aus Bürgern ohne subkulturellen oder extremistischen Hintergrund zusammen. Dieses zu erkennen und entsprechend darauf sicherheitsbehördlich zu reagieren, stellte eine besondere Herausforderung dar, der nicht zuletzt durch die Frühwarnfunktion des Landesverfassungsschutzes adäquat begegnet wurde.“

Zu den Phänomenbereichen im Einzelnen:

Rechtsextremismus

Strukturen des traditionellen Rechtsextremismus der 1990er und 2000er Jahre sind nach wie vor in Sachsen-Anhalt aktiv, der Rechtsextremismus sieht sich jedoch weiterhin Anpassungsprozessen ausgesetzt. Die Szene befindet sich in Bewegung, die Vereinzelung und Kleinteiligkeit in den Strukturen hat sich fortgesetzt und beschleunigt. Diese Fragmentierung einst homogener Personenzusammenschlüsse führt wiederum zu einer Vielfältigkeit der Strukturen und Aktivitäten von Rechtsextremisten. Dabei wird die Entwicklung wesentlich von der Digitalisierung und internetbasierter Kommunikation beeinflusst. So ist vermehrt ein fließender Übergang der rechtsextremistischen Aktivitäten zwischen virtueller Welt und Realwelt zu finden.

Vor diesem Hintergrund stellten die Ereignisse in Köthen eine besondere Herausforderung für die Sicherheitsbehörden – und damit auch für den Verfassungsschutz – dar. Es waren Demonstrationen und Versammlungen zu verzeichnen, bei denen es ebenfalls zu einer Vermischung von Demonstranten aus dem nichtextremistischen Bereich mit Rechtsextremisten unterschiedlichster Prägung kam. Dabei war beachtlich, dass zwar viele Szeneangehörige aus Sachsen-Anhalt an den Demonstrationen teilnahmen, die für den Ablauf verantwortlichen Protagonisten jedoch aus anderen Bundesländern kamen. Dieser „Import von Rechtsextremisten“ nach Sachsen-Anhalt lässt vermuten, dass die Kader der hiesigen Szene nicht zu den bundesweiten Führungskräften zählen.

Linksextremismus

Die Herbsttagung der Innenministerkonferenz (IMK) im November 2018 in Magdeburg stellte einen Schwerpunkt des Protestes und der Aktivitäten der linksextremistischen Szene dar. Insbesondere für die gewaltbereiten Akteure dieser Szene gelten die Innenminister und -senatoren als Repräsentanten des „repressiven“ kapitalistischen Systems, die folglich zu bekämpfen sind. Ein Ereignis wie die IMK bietet daher ein hohes Mobilisierungspotenzial, sowohl innerhalb verschiedener extremistischer Spektren als auch bei Nichtextremisten. So waren sowohl linksextremistische Zusammenschlüsse als auch nichtextremistische Gruppierungen und Personen im so genannten „Unheimlich sicher“-Bündnis vertreten, welches zu den Aktionen gegen die IMK aufgerufen hatte.

Das Personenpotenzial im Land wird auf 530 geschätzt, wobei der gewaltbereiten, insbesondere autonomen Szene etwa 270 Personen zugerechnet werden.

Reichsbürgerszene

Seit Ende 2016 beobachtet der Verfassungsschutz die Reichsbürgerszene und konnte mit der Unterstützung der Landesbehörden ein aussagekräftiges Bild entwerfen.

Die Szene ist organisatorisch und ideologisch sehr heterogen. In Sachsen-Anhalt sind vor allem Einzelpersonen aktiv, etwa 30 Prozent der hiesigen „Reichsbürger und Selbstverwalter“ schlossen sich Organisationen wie etwa der „Samtgemeinde Alte Mark“, dem „Königreich Deutschland“ oder dem „Freistaat Preußen“ an. Dieses Organisieren in ziel- und zweckgerichtet handelnden Personenzusammenschlüssen erhöht die Handlungsfähigkeit der Szene.

Von den etwa 500 Szeneangehörigen können etwa zehn Prozent dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet werden.

Islamismus

Die im Land festgestellten Bezüge zum Jihadismus standen zumeist im Kontext der Entwicklungen in den so genannten Jihad-Gebieten. Der Verfassungsschutz und andere Sicherheitsbehörden bearbeiten viele Hinweise auf (vermeintliche) Jihadisten, denen oftmals vorgeworfen wird, islamistischen Gruppierungen im syrischen Bürgerkrieg angehört zu haben. In einigen Fällen konnten bestätigende Erkenntnisse gewonnen werden. So erließ das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgrund der hier gewonnen Erkenntnisse zu den beiden Gruppierungen „Liwa Mu’ta“ und „Liwa Owais al Qorani“ bundesweit Strafverfolgungsermächtigungen zu beiden Gruppierungen mit der Folge von bundesweiten Strafverfolgungsmaßnahmen gegen einen Personenkreis im mittleren zweistelligen Bereich.

Ausländerextremismus

Wie auch in den Vorjahren verfügt lediglich die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) über nennenswerte Strukturen in Sachsen-Anhalt.

Für die Aktivitäten der PKK-Anhänger war insbesondere die türkische Militäroffensive im kurdisch verwalteten Kanton Afrin in Nordsyrien von Bedeutung. Der daraus resultierende Protest zeigte eindrucksvoll wie aktuelle Geschehnisse geeignet sind, die Anhängerschaft zu mobilisieren. In Sachsen-Anhalt war es vor allem das Eindringen in die Landesgeschäftsstelle der SPD in Magdeburg im April, die den Protest symbolisierte. Im Zuge dieses Protests beobachtete der Verfassungsschutz ein verstärktes gemeinsames Agieren von PKK-Anhängern und Angehörigen der linksextremistischen Szene. Diese Zusammenarbeit hält weiter an und fand auch im Rahmen der Proteste gegen die IMK statt.

Wirtschaftsschutz / Spionageabwehr / Cyberabwehr

Zwar war die weit überwiegende Zahl der Angriffe auf Unternehmens-, Wissenschafts- und Behördennetzwerke sowie auf Privatpersonen in Sachsen-Anhalt kriminell motiviert, der Verfassungsschutz verzeichnet indes ein gestiegenes Hinweisaufkommen im Bereich der Cyberangriffe. So setzte sich zum Beispiel im letzten Jahr eine Angriffskampagne fort, die 2016 von einem Institut der iranischen Revolutionsgarden ausgegangen war. Die Kampagne richtete sich gegen 320 Universitäten und Hochschulen – darunter 23 in Deutschland. Der Verfassungsschutz steht mit betroffenen Unternehmen und Einrichtungen in ständigem Kontakt und sensibilisiert in Bezug auf die von fremden Nachrichtendiensten ausgehenden Gefahren.

Übersicht über das Personenpotenzial

  2016 2017 2018
Rechtsextremisten  
Parteigebundener Rechtsextremismus (Parteien) 265 265 265
Parteiungebundener Rechtsextremismus 410 350 340
Weitgehend unstrukturierter, meist subkulturell geprägter Rechtsextremismus 800 760 740
Summe: 1.475 1.375 1.345
Gesamt (nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften) 1.400 1.300 1.300
   
Linksextremisten  
Gewaltbereite Linksextremisten,
insbesondere Autonome
230 230 270
Parteien und sonstige Gruppierungen,
unter anderem die „Rote Hilfe“
260 260 260
Gesamt: 490 490 530
     
Islamisten 150 200 300
     
Reichsbürger und Selbstverwalter

(inkl. Rechtsextremisten innerhalb dieser Szene)

330 450 500
     
     
PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) 250 250 250
 

 

   
GESAMTZAHL aller Extremisten in Sachsen-Anhalt (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) 2.590 2.655 2.880

 

(Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet.)

 

 

Der komplette Verfassungsschutzbericht 2018, sowie die Berichte der Vorjahre, sind ab sofort im Internet abrufbar und können herunter geladen werden:

 

https://mi.sachsen-anhalt.de/verfassungsschutz/verfassungsschutzberichte-zum-downloaden/

Vorheriger ArtikelKonsolidierungsbericht 2018 (ST)
Nächster ArtikelAußenhandelsdaten des Landesamts für Statistik für Februar 2019 (BY)