Die Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“, Vertreter der Landwirtschaft und die Landesregierung haben sich auf umfangreiche Maßnahmen für mehr Arten- und Naturschutz in Baden-Württemberg verständigt.
In den vergangenen Wochen haben Landesregierung, Landnutzerverbände und der Trägerkreis des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ intensiv über die Ausgestaltung der Eckpunkte als Weiterentwicklung zum Volksbegehren diskutiert und beraten. Ein erstes Treffen fand am 6. November unter Leitung von Landwirtschaftsminister Peter Hauk sowie Umweltminister Franz Untersteller statt. Nach weiteren zahlreichen Arbeitsbesprechungen konnten die Beratungen am 18. Dezember abgeschlossen werden.
40 bis 50 Prozent weniger chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel bis 2030
Für einen effektiven Schutz der Biologischen Vielfalt verpflichtet sich das Land, bis zum Jahr 2030 eine landesweite Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent in der Menge zu erreichen. Das Land wird die dazu notwendigen Rahmenbedingungen entsprechend ausgestalten. Dabei setzt das Land nicht auf einzelbetriebliche Verpflichtungen, Vorgaben oder Obergrenzen zu einzelnen Wirkstoffen. Vielmehr werden gezielt Anreize gesetzt, die Anschaffung neuer Technik massiv gefördert und die Förderung des freiwilligen Verzichts auf Pflanzenschutzmittel (PSM) stark ausgebaut. Die Einsparungen der PSM-Menge sollen dabei insbesondere durch folgende Handlungsoptionen erreicht werden:
- technische Weiterentwicklung.
- Steigerung des Anteils ökologisch wirtschaftender Betriebe.
- Ausbau des integrierten Pflanzenbaus (IP).
- verstärkte Nutzung resistenter Sorten.
- Verbot von PSM im Privatbereich.
- Reduktion im Bereich des Verkehrs (insbesondere Schiene).
- Ausbau der Förderung zum PSM-Verzicht und verstärkte Nutzung des Förderprogramms für Agrarumwelt, Klima und Tierschutz (FAKT) sowie der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) durch die landwirtschaftlichen Betriebe.
- optimierter Einsatz von PSM durch Ausbau der Beratung.
- Verbot von PSM in Naturschutzgebieten (NSG).
Ob das Ziel erreicht wird, wird durch Evaluierung und ein Netz an freiwilligen Betrieben gemessen.
30 bis 40 Prozent ökologische Landwirtschaft bis 2030
Das Land wird die Rahmenbedingungen gestalten und Anreize bieten, damit genügend Betriebe bis 2030 freiwillig umstellen. Soweit das Ziel nicht erreicht wird, müssen diese Rahmenbedingungen verbessert werden. Maßgeblich für den Erfolg wird der massive Ausbau der Vermarktung und der Verbraucheraufklärung sein. Nur so lässt sich die Bereitschaft der Verbraucher steigern, einen fairen Preis für regional und biologisch erzeugte Produkte zu zahlen.
Die Verpachtung der landeseigenen Flächen im Streubesitz erfolgt nicht ausschließlich an ökologisch wirtschaftende Betriebe. Zur Förderung der Biologischen Vielfalt wird es künftig aber möglich sein, auf den Flächen beispielweise bestimmte FAKT- oder LPR- Maßnahmen umzusetzen. So können auch konventionelle Betriebe die Flächen weiterhin bewirtschaften und gleichzeitig zum Erhalt der Biologischen Vielfalt beitragen. Es ist auch vorgesehen, dass arrondierte Flächen durch die Regelung nicht zerstückelt werden.
Verbot von Pflanzenschutzmitteln in ausgewiesenen Naturschutzgebieten
Die Pflanzen und Tiere haben in Naturschutzgebieten künftig Vorrang. Es gilt ein Verbot für alle PSM ab dem 1. Januar 2022. Für Härtefälle (insbesondere Existenzgefährdung), bei Kalamitäten (massiver überregionaler Schädlingsbefall), zum Schutz der Gesundheit (Stechmückenbekämpfung, Eichenprozessionsspinner) und zur Erhaltung der Schutzgebiete (zur Bekämpfung invasiver Arten oder bei prägenden Nutzungsarten, insbesondere zum Schutz der auf die besondere Nutzung angewiesenen spezifischen Tier- und Pflanzengesellschaften) wurden Ausnahmemöglichkeiten geschaffen.
Landesweiten Biotopverbunds auf 15 Prozent der Landesfläche
Bis 2030 soll ein landesweiter Biotopverbunds auf 15 Prozent der Landesfläche entstehen. Die Kommunen spielen beim Ausbau des Biotopverbundes die zentrale Rolle. Der Aufbau und die Planung werden gefördert. So wird landesweit ein Netz von Lebensräumen entstehen, die miteinander verbunden sind und den Austausch von Tieren und Pflanzen untereinander ermöglichen. Hierdurch haben die unterschiedlichen Populationen die Chance sich wieder auszubreiten und auch, sich an geänderte Lebensbedingungen durch den Klimawandel anzupassen. Ausgleichsmaßnahmen der Kommunen aber auch freiwillige Maßnahmen der Landnutzer gegen Förderung über FAKT oder LPR können so optimal aufeinander abgestimmt werden. Dadurch können Aufwertungen künftig gezielt dort stattfinden, wo sie die größte Wirkung entfalten. Die freiwillige Umsetzung des Biotopverbundes durch die Landwirtschaft kann als Refugialfläche angerechnet werden.
Schaffung von Refugialflächen
Tiere und Pflanzen brauchen dauerhafte Rückzugs- und Lebensräume auch im Offenland, damit sich die verbliebenen Bestände erholen können. Dazu sollen auf zehn Prozent der offenen Landesfläche sogenannte Refugialflächen für jede Landnutzungsart geschaffen werden. Diese sollen von den landwirtschaftlichen Betrieben auf freiwilliger Basis gegen einen finanziellen Ausgleich erbracht werden. Es wird somit kein Betrieb gezwungen, Refugialflächen auszuweisen. Allerdings hat sich das Land zum Ziel gesetzt, dass in jedem Betrieb fünf Prozent der Fläche biodiversitätssteigernde Maßnahmen umgesetzt werden. Hierzu wird das Land die Refugialflächen so attraktiv gestalten, dass die Betriebe auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Interesse an der Umsetzung haben. Was genau als Refugialflächen anerkannt wird, soll durch eine Verwaltungsvorschrift festgelegt werden. Ziel ist, dass vorrangig mehrjährige Maßnahmen dominieren, da diese nachweislich besonders biodiversitätsfördernd wirken. Im Rahmen der Förderung sind hierfür zusätzliche Maßnahmen je Landnutzungsart zu gestalten.
Ausgleichskataster
Es soll ein landesweit öffentlich zugängliches, zentrales Kataster für sämtliche Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden. Dies schafft Transparenz und Klarheit über die künftigen Ausgleichsmaßnahmen mit Flächenbezug.
Erhalt von Streuobstbeständen
Mit der Regelung wird die Voraussetzung für eine bessere Unterstützung und damit den Erhalt der Streuobstbestände geschaffen. Daher sollen Bestände ab einer Größe von 1.500 Quadratmetern unter diese Regelung fallen. Für den langfristigen Erhalt der Streuobstbestände ist eine sachgerechte Pflege durch die Besitzer unverzichtbar. Die Regelungen sind daher so ausgestaltet, dass sie die ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht beeinträchtigen. Einzelbäume können wie bisher gefällt und oder nachgepflanzt werden, ohne dass es einer Genehmigung bedarf.
Mit dem Ausbau der Streuobstkonzeption und der Erweiterung der Fördermöglichkeiten sollen auch Nicht-Landwirte künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine Förderung für die Pflege erhalten. Die Umwandlung von Streuobstbeständen soll auch künftig möglich sein, wenn die Gründe für die Umwandlung so gewichtig sind, dass der Erhalt hier hinter zurückstehen muss. In diesen Fällen erfolgt aber ein Ausgleich vorrangig durch die Anlage eines neuen Streuobstbestandes. So wird sichergestellt, dass die flächenhafte Inanspruchnahme reduziert wird, die Pflege von Bäumen und des Unterwuchses verbessert werden und die für Baden-Württemberg so prägende Nutzungsform auch künftig erhalten bleibt.
Die gesamte Gesellschaft in die Pflicht nehmen
Der Erhalt der Biologischen Vielfalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher werden auch die Kommunen und Privatpersonen in die Pflicht genommen. Es wird im Gesetz klargestellt, dass Schottergärten keine zulässige Gartennutzung darstellen. Die Lichtverschmutzung durch Beleuchtung im Außenbereich, aber auch im Innenbereich insbesondere durch Vorgaben zur Straßenbeleuchtung und bei der Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden wird minimiert. Die öffentliche Verwaltung soll ihre Garten- und Parkflächen künftig insektenfreundlich pflegen und die Nutzung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln im Siedlungsbereich durch Private soll verboten werden. Dafür wird sich Baden-Württemberg mit einer Bundesratsinitiative einsetzen.
Darüber hinaus ist in allen anderen Schutzgebieten nach Landesnaturschutzgesetz die Nutzung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in Privatgärten untersagt.
Dialogprozess
Um das gegenseitige Verständnis und den Austausch zu verbessern, wird ein Dialogprozess zwischen Landwirtschaft und Naturschutz auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Ziel ist, die Gemeinsamkeiten zu stärken und die unterschiedlichen Interessen zu respektieren.